Ideensuche

Anlass für dieses Kapitel ist das Thema „Ideensuche“ in einem Ratgeber, den ich gerade lese. Im Schreibratgeber werden diverse Inspirationsquellen aufgezählt. Alltagssituationen, in denen man möglichst verschiedenen Menschen begegnet, zählen beispielsweise dazu. Das Leben eines einzigen ist im Optimalfall lang und voller Ereignisse. Viele von ihnen taugen für das eigene Manuskript womöglich kaum, doch einige haben sicherlich Potenzial. Auch der eigene Lebensweg liefert nicht selten eine erzählenswerte Geschichte.
Ebenso inspirieren Bücher sowie Film und Fernsehen. Musik kann ebenfalls dabei helfen, eine Szene vor dem inneren Auge zu visualisieren. Und ehe man sich versieht, hat man schon zwei, drei weitere im Kopf. Besonders kreative Menschen vermögen sogar beim Anblick eines Schmuckstücks eine Geschichte um dieses Objekt zu spinnen. Ein Silbercollier mit Blautopas – elegant und kühl – kann z.B. die Geschichte des Adels erzählen, von unerfüllter Liebe und unterdrückter Leidenschaft.


Von der Muse geküsst

Aber jetzt mal ehrlich: Eigentlich hat sich die Ideensuche erübrigt. Denn das Thema für einen interessanten Roman hat Dich doch bereits gefunden, nicht wahr? Womöglich hast Du gestern einen Roman zu Ende gelesen und brennst darauf, die Geschichte mit neuen Figuren zu erzählen? Vielleicht hat Dich ein Film so begeistert, dass Du mit dem Gedanken spielst, den geizigen, kauzigen Protagonisten zum Zeremonienmeister der High Society zu machen? – Selbstverständlich unter einem anderen Namen, mit neuem, sozialem Hintergrund und anderen Eigenschaften.
Da der Mann nicht aus seiner Haut kann, wird er den Kaviar durch gekochte Eierhälften mit Kräutern ersetzen. Teure, schwere Tischdecken weichen Wachstischdecken, und das Bouquet aus frischen Blumen, die hohen Kerzen und die kunstvoll gefalteten Servietten werden auf ein schmuckloses Windlicht pro Tisch reduziert. Sein Drang, möglichst Kosten zu sparen, obwohl er es nicht muss, kann für so manche witzige Situation sorgen.

Was meinen Roman Stadtrivalen angeht, so entstand er praktisch dank eines Online-Sammelkartenspiels. Als ich die bunte Welt in einer Werbung sah, wusste ich: Darüber muss ich schreiben!
Aber was konnte ich mit diesem Begriff anfangen? Worum sollten die Figuren konkurrieren?

In einer heißen Sommernacht in Spanien lag ich mit einem Notizblock auf dem Hotelbett und dachte nach. Schließlich kam mir die Idee, die Rivalen auf die Jagd nach gesichtslosen Kreaturen zu schicken, zu denen mich Gestalten aus einem älteren Horrorfilm inspiriert hatten. Die Rivalen sammeln Energie, um ihre Fähigkeiten zu verbessern, allerdings auch, um sie zu verkaufen. Diese Energie – Aelumina – fungiert also als Droge und auch als Währung und liefert somit explosiven Zündstoff.
Dorians und Lias Liebesgeschichte und die tragische Wendung hingegen fußen auf einer älteren Kurzgeschichtensammlung, die ich als Jugendliche verfasst habe.


Lieber nicht

Nun ist es aber manchmal so, dass der Autor gern schreiben würde, doch ihm fällt einfach nichts ein. Er hat sich mit Menschen unterschiedlicher Herkunft unterhalten, hat diverse Länder besucht und ihre Sehenswürdigkeiten besichtigt. Er hat unzählige Bücher, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel verschlungen, zahllose Filme gesehen, historische Quellen durchforstet, sich in Alltagsmomenten Geschichten ausgedacht, aber nichts hat sein Kopfkino beeinflusst. Sobald er einen Satz getippt hat, weiß er nicht mehr weiter. Also beginnt die Ideensuche von vorn: Er sucht Menschengruppen in der Hoffnung auf, etwas Interessantes zu erfahren, das sein inneres Feuer entfacht, begibt sich in ein fernes Land, schaut Filme und Serien, liest Romane etc. Wieder fruchten die Versuche nicht. Wieder lassen sich die losen Szenen zu keiner Ganzheit verknüpfen.

Was soll der arme Autor also tun?

Nichts!

Wirklich gar nichts.

Obwohl dieser Tipp demotivierend und nichtssagend klingt, so ist er dennoch hilfreich. Manche meiner Kolleginnen und Kollegen mögen es anders sehen, doch ich bleibe bei meiner Aussage: Wenn eine Idee unausgegoren ist, wenn sie in Dir kein richtiges Verlangen weckt, sie auszuarbeiten, dann lass das Schreiben lieber. Quäl Dich nicht länger mit halbseidenen Lösungen, mit löchrigen Konzepten. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass diejenigen Ideen, die mich über Monate oder Jahre hinweg regelmäßig heimgesucht haben, vom Verlag als publikationswürdig gesehen wurden.

Eine Idee zu finden, die für einen ganzen Roman taugt, ist eine sensible Angelegenheit, die nicht forciert werden sollte. Natürlich gibt es Menschen, die unter Zeitdruck ihre volle Kreativität entfalten, jedoch bilden sie eine Ausnahme. Geschichten benötigen – ähnlich wie Orangen, Äpfel und Kirschen – Zeit zum Reifen, um gut zu werden.

Deshalb: Genieß die freie Zeit und sei offen für die Überraschungen des Lebens! 😉

Posted on: 8. Juli 2020Carolina

2 Gedanken zu „Ideensuche

  1. Hallöchen!

    Es ist schon seltsam, wie Ideen entstehen. Bei mir kommen sie ganz plötzlich und ich kann nicht mehr so richtig sagen, was ihr Ursprung war. Wenn eine Idee sich noch nicht „richtig“ anfühlt, mache ich dasselbe, was du hier bei einem Ideenflau vorgeschlagen hast: Ich lasse sie ein wenig liegen, um mich anderen Dingen zu widmen, damit mein Unterbewusstsein Zeit hat, sich darum zu kümmern. Aber ich schätze, dass es einen Unterschied zwischen „keine Ideen haben“ und „nicht die richtigen Ideen haben“ gibt?

    Bei letzterem gibt es bei mir neben „liegen lassen und sich später darum kümmern“ noch ein paar andere Lösungsmöglichkeiten. Etwas, das mir oft hilft, ist, verschiedene grobe Ideen miteinander zu verknüpfen. Wenn sich eine Idee unausgegoren, langweilig und allgemein unvollständig anfühlt, kann es zu coolen Szenarien fühlen, wenn man sie mit einer anderen Idee verknüpft, gerade, wenn die Ideen auf den ersten Blick nicht kompatibel erscheinen.

    Auch hilft es mir, gewisse Dinge in der Geschichte zeitlich zu verschieben. Ich überlege mir, was wäre, wenn die Ereignisse oder gar das Grundkonzept dieser neugeborenen Geschichte erst in der Mitte oder gar am Ende passieren würden – so habe ich die aktuelle Geschichte, an der ich schreibe, bei der Planung in Fahrt gebracht, als ich nicht mehr weiterwusste. Sie wurde einfach sehr viel interessanter, als ich die Grundidee „es gibt Wiedergeburten“ zum Twist der Geschichte machte, in der dieser Fakt plötzlich nicht mehr allgemein bekannt, sondern ein Staatsgeheimnis ist. Sicher kann auch das Gegenteil effektiv sein. Und manchmal hilft es mir, mich zu fragen, ob die Ereignisse vor bzw. nach der Geschichte, die ich schreiben will, eventuell interessanter sind als die Geschichte selbst.

    Was Twists angeht … wie stehst du dazu? Wie sollte man sie schreiben? Ich finde es wichtig, Hinweise einzubauen, aber wann ist ein Twist überhaupt notwendig und wann wäre es besser, auf ihn zu verzichten? Braucht jede Geschichte einen Twist, um interessant zu sein? Okay, natürlich nicht, aber es gibt durchaus Geschichten, die ohne ihren Twist recht unspektakulär wären …

    Liebe Grüße!
    Tatjana

  2. Ideen miteinander zu kombinieren, obwohl sie auf den ersten Blick nicht kompatibel erscheinen, finde ich durchaus spannend! Leider kriege ich es mittlerweile nicht gebacken, zwischen solchen eine Brücke zu spannen. 🙂

    Twists sind wunderbar! Du hast natürlich recht. Es ist „wichtig, Hinweise einzubauen“. Im ersten Band der „Stadtrivalen“-Reihe habe ich ebenfalls mehrere Hinweise gestreut, um die LeserInnen auf die große Überraschung vorzubereiten. Tatsächlich schrieb mir eine Leserin damals, dass sie anhand der Informationen in Form von Dialogen etc. schon ahnte, was es mit Dorian und Lia auf sich hat, und ihre Vermutung hatte sich am Ende bestätigt.

    Unerwartete Wendungen würzen einen Roman / einen Film. Manchmal sorgen sie für den Aha-Moment, manchmal für heruntergeklappte Kinnladen. Und sie bleiben auf jeden Fall im Gedächtnis.
    Aber es ist leider nicht immer so einfach, einen gelungenen Twist hinzubekommen. 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert